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Achtung! Hier die erste Gebührenentscheidung zur (neuen) Einziehung nach neuem Recht….

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So, und hier dann der erste Beschluss zur zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG nach den Änderungen der Vermögensabschöpfung zum 1.7.2017. Er kommt vom LG Berlin. Erstritten hat ihn der Kollege Cetinkaya aus Berlin, dem ich für die Übersendung danke.

Im LG Berlin, Beschl. v. 16.01.2018 – 501 Qs 127/17 – heißt es:

„1. Die Entscheidung beruht zu 1. und 3. auf dem Umstand, dass, soweit ersichtlich obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, ob die Verfahrensgebühr gem. Nr. 4142 VV-RVG auch dann entsteht, wenn die gem. §§ 73, 73c, 73d StGB n. F. angeordnete Einziehung nicht Strafcharakter hat, sondern allein der Entziehung durch die Straftat erlangter unrechtmäßiger wirtschaftlicher Vorteile dient (s. u. zu 2.b.), noch nicht vorhanden ist, und der sich daraus ergebenden „grundsätzlichen Bedeutung“ der zur Entscheidung stehenden Frage, S 56 Abs. 2 S 1 i. V. mit § 33 Abs. 8 S. 2 2. Alt RVG (zu 1.) bzw. § 56 Abs. 2 S. 1 i. V. mit § 33 Abs. 6 S. 1 RVG (zu 3.).

2. Die (der insoweit unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses gemäß) als „Erinnerung“ bezeichnete sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie fristgemäß erhoben und überschreitet sie die Wertgrenze gem. § 56 Abs. 2 i. V. mit § 33 Abs. 3 S. RVG

a) Das Rechtsmittel ist hinsichtlich der in Ansatz gebrachten Gebühr gem. Nr. 4141 VV-RVG indes unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Entstehung des Gebührentatbestands — Entbehrlichwerden der Hauptverhandlung — in hiesigem Verfahren nicht vorliegen. Auf die hilfsweise beantragte Entscheidung über die Erstreckung der Beiordnung auf das bei der Staatsanwaltschaft Berlin geführte Ermittlungsverfahren – und die Frage, ob dem Verteidiger die hier geltend gemachte Gebühr in jener Sache zusteht, kommt es dabei nicht an.

b) Hinsichtlich der mit dem Kostenfestsetzungsantrag weiter geltend gemachten „Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen“ gem. Nr. 4142 VV-RVG ist die sofortige Beschwerde demgegenüber begründet.

Die Voraussetzungen für die Entstehung dieser Gebühr liegen vor, hat sich die Tätigkeit des Verteidigers nämlich auch auf die — bereits mit der Anklageschrift genannte — Einziehung des durch die Betrugstaten erlangten Betrages von 4.139, 12 € bezogen.

Auf den Umstand, dass die angeordnete Einziehung hier schon nicht etwa einen rein „zivilrechtlichen Schadensersatzcharakter“ hat, worauf das Amtsgericht seine Entscheidung stützen will — die durch die Einziehungsentscheidung begünstigte Landeskasse Berlin war durch die Betrugstaten nicht geschädigt worden —, kommt es dabei nicht entscheidend an. Einer Einschränkung des Gebührentatbestands auf solche Einziehungen, die Straf- und nicht nur zivilrechtlichen Schadensersatzcharakter haben, steht hier nämlich der ausdrückliche Wortlaut der (zwingenden) Vorschrift der Nr. 4142 VV-RVG (und gerade der mit der angefochtenen Entscheidung hervorgehobene Umstand, dass der Gebührentatbestand im Zuge der Neufassung der §§ 73 ff StGB durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 nicht ebenfalls geändert worden ist) entgegen.

Dass die in Ansatz gebrachte Gebühr dem Verteidiger nach der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung geltenden Rechtslage nicht zugebilligt worden wäre, eignet sich nicht, die Versagung des Gebührenansatzes nach neuem Recht zu begründen. Wenn nach der alten, zwischen Verfall und Einziehung unterscheidenden Rechtslage hier nämlich der Verfall von Wertersatz gem. §§ 73, 73a StGB a. F. (sowie das Absehen davon gem. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB a. F.) in Frage gekommen und bei der Frage, ob der Verfall des Wertersatzes als i. S. des genannten Gebührentatbestandes der Einziehung „gleichstehende Rechtsfolgen“ anzusehen war, Raum für die vom Amtsgericht vorgenommene Unterscheidung gewesen wäre, ist dies der unterschiedlosen Bezeichnung der Anordnungen gem. §§ 73 ff. StGB n. F. als „Einziehung“ nach der neuen gesetzlichen Regelung nun nicht mehr Fall.

Soweit sich die Bezirksrevisorin des Amtsgerichts für die Versagung des Ansatzes auf die Kommentierung in Gerold/Schmidt/Burhoff RVG 23. Aufl. Rdnrn. 7 und 8 zu Nr. 4142 VV-RVG stützen will, überzeugt dies schon angesichts des Umstands nicht, dass sich die Kommentierung (trotz des im Vorwort aufgenommenen Hinweises auf die Berücksichtigung u. a. des genannten Gesetzes vom 13. April 2017) in den fraglichen Passagen allein auf die alte, nach Verfall und Einziehung unterscheidende Gesetzeslage bezieht (vgl. übrigens Burhoff http://www.burhoff-rvgforum.de/t56f10-Einziehungsgebuehr-Nr-Rechtslage-seit.html: „Wie soll man eigentlich, wenn Redaktionsschluss der 10.7.2017 ist, danach liegende Gesetzesänderungen noch umfassend beachten?“). Die nach dem genannten Kommentar (a. a. O. Rdnr. 6 m. w. Nachw.) für die Anwendung der Nr. 4142 W-RVG entscheidende Voraussetzung, dass es sich um eine Maßnahme handeln muss, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entziehen und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen will, ist demgegenüber hier gegeben.“

Die Entscheidung ist zutreffend. Das LG hat übrigens Recht. Der Kommentar ist an der Stelle nicht ganz eindeutig, bezieht sich aber nicht nur auf das alte Recht……..


Ich habe da mal eine Frage: Der Kollege zahlt die Vorschüsse nicht zurück, richtig?

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So, zum Schluss dann die allwöchentliche Gebührenfrage. In dieser Woche verhältnismäßig frisch, und zwar:

„Der Grund meiner Mail ist aber, dass sich eine kurze Frage zur Problematik der fehlenden schriftlichen Vergütungsvereinbarung habe – und in dieser Problematik erreichte mich heute das Schreiben eines (wie ich immer dachte) erfahrenen und renommierten Kollegen, was ich aber inhaltlich nicht so recht nachvollziehen kann.

Der Einfachheit halber habe ich Ihnen das Schreiben mal angehängt:

Hintergrund dessen ist der Umstand, dass ich gegenüber dem Kollegen Vorschüsse, die mein Mandant an diesen geleistet hatte, zurückgefordert habe. Der Kollege trägt nun vor, zwar habe es keine schriftliche Vergütungsvereinbarung gegeben aber er könne die Vorschüsse trotzdem behalten – denn dem Beschuldigten sei bei Zahlung bewusst gewesen, dass die Beträge die gesetzlichen Gebühren übersteigen. Diese Rechtsauffassung wundert mich ehrlich gesagt sehr, denn wenn diese Argumentation richtig wäre dann bräuchte man ja gar keine schriftliche Vergütungsvereinbarung mehr, oder?

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir eine kurze Rückmeldung hierzu geben könnten.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Der Kollege zahlt die Vorschüsse nicht zurück, richtig?

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Und dann heute noch die Lösung zum Gebührenrätsel vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Der Kollege zahlt die Vorschüsse nicht zurück, richtig?:

Ich hatte recht kurz gewantwortet, und zwar wie folgt:

„Hallo,

Burhoff/Volpert, RVG, 5. Aufl. Teil A: Rdn 2355 ff.

Das ist keine gebührenrechtliche Problematik, sondern eine zivilrechtliche aus § 814 BGB.“

Und hier dann mal wieder ein Hinweis auf die Möglichkeit, den RVG-Kommentar „Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5 Aufl. 2017“ über meine Homepage zu bestellen.

Ist der Anwaltsvertrag ein widerruflicher Fernabsatzvertrag?, oder: Ja, aber, sagt der BGH

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Den „Moneys-Friday“ eröffne ich heute mit dem BGH, Urt. v. 23.11.2017 – IX ZR 204/16. Es war klar, dass eine Entscheidung zu der Problematik kommen würde. Nämlich zu der Frage: Gelten die Regeln über Fernabsatz auch für Anwaltsverträge und können die unter Hinweis darauf ggf. widerrufen werden? der BGH sagt: Ja, aber:

Zugrunde liegt der Entscheidung des BGH kein strafrechtliches Mandat, sondern ein zivilrechtliches. Es geht um Anwaltsgebühren, die von der Klägerin von dem Beklagten verlangt werden. Der Beklagte hatte sich an einer Fondsgesellschaft beteiligt. Am 22.o1.2014 erhielt er von der I-GmbH ein Schreiben, in dem diese ihre Dienste anbot und zur Rücksendung eines ausgefüllten Fragebogens und einer Vollmacht einlud. Dem Schreiben beigefügt war u.a. eine auf die Klägerin lautende Rechtsanwaltsvollmacht. Die Klägerin hatte der Gesellschaft Blankoformulare für eine Vielzahl von potentiellen, von der Gesellschaft zu werbenden Mandanten zur Verfügung gestellt.Der Beklagte unterzeichnete die außergerichtliche Vollmacht und sandte sie zusammen mit den anderen von ihm vervollständigten Unterlagen an die Gesellschaft zurück. Diese übermittelte die Unterlagen der Klägerin, die ohne Kontaktaufnahme mit dem Beklagten mittels eines Serienbriefes dessen Ansprüche gegenüber der Fondsgesellschaft geltend machte.

Nachdem die außergerichtliche Inanspruchnahme erfolglos geblieben war, forderte die Klägerin den Beklagten auf, eine weitere Vollmacht auf sie auszustellen, die auch die Prozessvertretung vorsah. Dies lehnte der Beklagte ab, woraufhin die Klägerin diesem ihr außergerichtliches Tätigwerden mit einer 1,3 Geschäftsgebühr in Rechnung stellte.

Der Beklagte wies diese Forderung schriftlich am 27.05.2014 und am 30.06.2014 zurück, im ersten Schreiben erklärte er zugleich, vorsorglich mit sofortiger Wirkung die über die Gesellschaft erteilten Vollmachten zu widerrufen. Die auf Zahlung des Anwaltshonorars nebst Zinsen gerichtete Klage blieb vor dem AG und LG erfolglos. Und: Die Klägerin hatte beim BGH auch keinen Erfolg. Dazu die Leitsätze der Entscheidung:

Anwaltsverträge können den Regeln für den Fernabsatz unterfallen und als solche widerrufen werden.
Ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem liegt jedoch in der Regel nicht schon dann vor, wenn der Rechtsanwalt lediglich die technischen Möglichkeiten zum Abschluss eines Anwaltsvertrags im Fernabsatz wie Briefkasten, elektronische Postfächer und/oder Telefon- und Faxanschlüsse vorhält.
Wie man damit umgeht, weiß ich noch nicht. Muss ich mir selbst auch erst einmal überlegen.

LG Schweinfurt: Keine Verfahrensgebühr bei Berufungsrücknahme der StA, oder: Verteidigung zum Nulltarif

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Die zweite gebührenrechtliche Entscheidung hängt in meinem Ordner: „Geärgert“. Es handelt sich um den den LG Schweinfurt, Beschl. v. 18.01.2018 – 1 Qs 13/18. Es geht mal wieder um die Frage, ob dem Angeklagten die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG zu erstatten ist, wenn die Staatsanwaltschaft die von ihr eingelegte Berufung vor der Begründung zurücknimmt. Ein weites Feld, auf dem die OLG und die LG zur Hochform auflaufen, um zu begründen, warum der Verteidiger die Gebühr nicht verdient hat und sie nicht erstattet wird. Das natürlich auch im LG Schweinfurt-Beschluss, das sich m.E. durch eine besonders bemerkenswerte Begründung auszeichnet. In meinen Augen dem Verteidiger gegenüber einfach nur frech und unverschämt:

Eine nach Nr. 4224 VV RVG zu erstattende Gebühr ist vorliegend nicht entstanden.

Entscheidungserheblich ist dabei zunächst einmal nicht die Frage, ob überhaupt eine (beratende) Tätigkeit des Verteidigers geboten war, bevor feststand, ob die Berufung der Staatsanwaltschaft tatsächlich durchgeführt werden würde und ob deshalb von der Entstehung notwendiger und demzufolge auch erstattungsfähiger Auslagen der Verurteilten ausgegangen werden kann. Vielmehr steht außer Zweifel, dass die Verurteilte ein berechtigtes Interesse daran hatte, durch ihren Verteidiger nicht nur allgemeine Informationen über den Fortgang des Verfahrens nach Rechtsmitteleinlegung durch die Staatsanwaltschaft zu erhalten, sondern auch darüber informiert zu werden, welche Auswirkungen die Rechtsmitteleinlegung auf ihre aus dem Bewährungsbeschluss resultierenden Verpflichtungen hatte. Gleichwohl erfordern derartige Beratungs- und Belehrungsleistungen keine Verteidigertätigkeit, die über den – gemäß § 19 Abs. l Satz 2 Nr. 10 RVG sogar eine eigene Rechtsmitteleinlegung umfassenden – Umfang dessen hinausgeht, was bereits durch die in der Vorinstanz angefallenen Gebühren abgegolten ist. Da von keiner Seite auf Rechtsmittel verzichtet worden war, war der Verteidiger schließlich gehalten, der Verurteilten pp. im Anschluss an .die Urteilsverkündung und völlig unabhängig von der späteren Berufungseinlegung durch die Staatsanwaltschaft – und damit auch unabhängig davon, ob der Anfall einer Berufungsverfahrensgebühr überhaupt jemals zur Debatte stehen würde – darüber zu belehren, dass Bewährungsauflagen und -weisungen erst zu befolgen sind, wenn das Urteil des Amtsgerichts Schweinfurt rechtskräftig geworden sein würde. Derartige Hinweise verstehen sich unproblematisch als Teil der bereits in erster Instanz entfalteten Verteidigertätigkeit und diese Zuordnung wird nicht schon dadurch aufgelöst, dass der Verteidiger erst die Berufungseinlegung durch die Staatsanwaltschaft zum Anlass genommen haben mag, entsprechende Belehrungen zu erteilen.

Eine über allgemein gehaltene Informationen hinausgehende Beratung über ein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und dessen Erfolgsaussichten ist vor dessen Begründung hingegen nicht sinnvoll und erforderlich, weil ohne eine solche Umfang und Zielrichtung des Rechtsmittels für den Verteidiger nicht erkennbar sind (vgl. OLG Köln, NStZ-RR 2015, 294; OLG Koblenz, NSZ-RR 2014, 327; LG Detmold, Beschluss vom 10.05.2017, Az. 21 Qs 41/17, zitiert nach Juris; KG Berlin, JurBüro 2012, 471, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Kammer verkennt nicht, dass auch in der Rechtsprechung (etwa LG Dortmund, Beschluss vom 25.11,2015, Az. 31 Qs 83/15,  zitiert nach Juris, wo allerdings die Besonderheit bestand, dass die Staatsanwaltschaft In erster Instanz selbst den dann ausgeurteilten Freispruch beantragt hatte) – vertreten wird, dass eine Beratung und Information des Angeklagten grundsätzlich auch schon vor Begründung des Rechtsmittels durch die Staatsanwaltschaft bzw. vor Ablauf der Frist zu der – in § 320 Abs. 2 StPO und Nr. 156 Abs. 1 RiStBV vorgesehenen Begründung der Berufung die Gebühr nach Nr. 4224 VV RVG auslöst. Die Kammer folgt dem aus den vorgenannten Erwägungen heraus jedoch nicht.

Eine die Berufungsverfahrensgebühr gemäß Nr. 4224 VV RVG auslösende Tätigkeit des Verteidigers kann aus denselben Gründen auch nicht in der Beantragung von Akteneinsicht mit Schriftsatz vom 29.06.2017 gesehen werden.“

Wenn man es liest, „schwillt der Kamm“, jedenfalls mir, denn: Die Entscheidung ist falsch und man fragt sich, wie oft man eigentlich noch darauf hinweisen soll, dass in diesen Fällen die Gebühr Nr. 4124 VV RVG entstanden und auch zu erstatten ist. Man hat den Eindruck, dass die LG und OLG das bewusst aus rein fiskalischen Gründen übersehen und letztlich die (Fehl)Entscheidung der Staatsanwaltschaft, Berufung einzulegen, die man dann kurz darauf wieder zurücknimmt bzw. nehmen muss, zumindest gebührenrechtlich „reparieren“. An der Entscheidung des LG Schweinfurt ist besonders ärgerlich, dass mal wieder die Fragen des Entstehens der Gebühr mit der Frage der Erstattungsfähigkeit vermengt werden (so auch schon KG ind er vom LG zitierten Entscheidung) und zudem im Grunde eine Verteidigung zum (teilweisen) Nulltarif eingeführt wird. Daher nochmals:

  1. Die Gebühr Nr. 4124 VV RVG ist entstanden. Durch die Einlegung der Berufung durch die Staatsanwaltschaft ist die Angelegenheit „erster Rechtszug“ beendet und hat die Angelegenheit „Berufung“ begonnen. Die erste hier vom Verteidiger erbrachte Tätigkeit führt zum Entstehen der Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG und wird nicht etwa – wie das LG meint – noch mit der Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG abgegolten. Mir ist unerklärlich, wie man als Beschwerdekammer auf die Idee kommen kann, da hätte sich ein Blick in einen Kommentar empfohlen (vgl. z.B. nur Gerold/Schmidt-Burhoff, RVG, 23. Aufl., VV 4124 Rn 2 ff.). Da hilft auch nicht der Hinweis auf § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 RVG. Denn der betrifft/regelt nur den Fall, was zur „Angelegenheit“ gehört. Das ist/wäre die Berufungseinlegung durch den Verteidiger der Instanz und vielleicht noch die Beratung über deren Erfolgsaussicht, das sind mit Sicherheit aber keine Tätigkeiten, die nach Einlegung der Berufung der Staatsanwaltschaft vom Verteidiger erbracht werden. Dies zu erkennen kann doch sehr schwer sein, ist es aber offenbar.
  2. Geht man davon aus, dass die Gebühr Nr. 4124 VV RVG entstanden ist – und nur das ist richtig – dann ist die Gebühr auch zu erstatten. Ich habe schon wiederholt darauf hingewiesen, dass der Angeklagte einen Anspruch darauf hat, dass ihn der Verteidiger über das Berufungsverfahren, dessen Ablauf und auch die Erfolgsaussichten der Berufung der Staatsanwaltschaft informiert. Und das unabhängig davon, ob das Rechtsmittel nun durchgeführt wird, wovon nach Nr. 148 RiStBV grundsätzlich auszugehen ist, und/oder ob es begründet wird. Die Staatsanwaltschaft „bestellt die Musik“ = leitet das Berufungsverfahren ein, dann mag die Staatskasse, wenn der Verteidiger tätig wird und tätig werden muss, das auch bezahlen. Es besteht Handlungs- und Beratungsbedarf und es handelt sich nicht um eine offensichtlich sinnlose Tätigkeit (vgl. dazu eingehend auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, 5. Aufl. 2017, Nr. 4124 VV Rn 28 ff. m.w.N.). Und die insoweit erforderlichen – und vom LG Schweinfurt ja offensichtlich auch erwünschten/erwarteten Tätigkeiten – gibt es eben nicht zum Nulltarif. Das wäre ungefähr so, als ob man von Richtern verlangen würde, einige Tage im Monat kostenlos zu arbeiten. Das „Theater“ möchte ich ob dieser „Zumutung“ erleben. Verteidigern mutet man so etwas aber zu.

Ich habe da mal eine Frage: Welcher Gegenstandswert bei Einziehung des Wertes des Erlangten aus Btm-Geschäften?

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Im Moment gibt es eine Menge Fragen zur Nr. 4142 VV RVG. Das zeigt, dass die Gesetzesänderungen zum 01.07.2017 in der Praxis angekommen sind. Auch die heutige Frage gehört zu dem Komplex, und zwar:

„Sehr geehrter Herr Burhoff,

in einem Strafverfahren wurde die Einziehung des Wertes des Erlangten aus Btm-Geschäften beschlossen. Der Mandant selber war inzwischen vermögenslos. Die Bezirksrevisorin vom Landgericht Verden will mir nun die zusätzliche Gebühr VV 4142 verwehren mit der Begründung es würde kein Gegenstandswert vorliegen, da Betäubungsmittel illegal seien und somit keinen Marktwert hätten. Ich halte diese Argumentation für verfehlt. Als Anwalt muss ich mich mit der Einziehung des wertes des Erlangten, in diesem Fall 30.000 €, auseinandersetzten. Für Ihre Hilfe wäre ich sehr dankbar.“

Ich denke, die Antwort sollte nicht allzu schwer sein…..

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welcher Gegenstandswert bei Einziehung des Wertes des Erlangten aus Btm-Geschäften?

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M.E. ist die Lösung zu der Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Welcher Gegenstandswert bei Einziehung des Wertes des Erlangten aus Btm-Geschäften?,  recht einfach. Und der Kommentar, der dazu gekommen ist, war auch richtig. Denn ich hatte auch geantwortet:

„Hallo, nochmals zu der Problematik:

Die Bezirksrevisorin hat zwar Recht, dass der Gegenstandswert bei BTM von der Rechtsprechung bei Null angesetzt wird. Das ist auch richtig. Hier geht es aber um die Abschöpfung eines Geldbetrages. Da ist der Nominalwert der Gegenstandswert. Dazu gibt es Rechtsprechung des KG und dazu finden Sie auch etwas in unserem RVG-Kommentar.“

Das „nochmals“ bezog sich übrigen nicht darauf, dass der Kollege die Frage schon mal gestellt hatte, sondenr ich ihm von unterwegs nur kurz geantwortet hatte. Und die angesprochene KG-Entscheidung ist übrigens: KG, RVGreport 2005, 390 = NStZ-RR 2005, 358 = JurBüro 2005, 531 = Rpfleger 2005, 698. Und zur Bestellung des angesprochenen RVG-Kommentars 🙂 geht es übrigens hier.

 

Die Gebühren des selbständigen Verfallsbeteiligten, oder: Zusätzlich heißt bei uns “nur”

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Der LG Koblenz, Beschl. v.26.01.2018 – 9 Qs 59/17 + 9 Qs 60/17 – zeigt mir mal wieder, dass es immer noch Gerichte gibt, die das System des RVG nicht verstanden haben oder – was schlimmer wäre – nicht verstehen wollen. Es ging in dem Verfahren noch um die Gebühren des Kollegen, der mir den Beschluss geschickt, und zwar im selbständigen Verfallsverfahren. Also um die Nr. 5116 VV RVG und – was hier streitig war – die Grundgebühr, Verfahrens- und Terminsgebühr. Der Kollege hatte in einem Bußgeldverfahren, in dem um Überladung ging, die Verfallsbeteiligte, die Beförderer egwesen war, vertreten.

Das LG sagt: Keine Grundgebühr, keine Verfahrensgebühren und auch keine Terminsgebühr, sondern: Im selbständigen Verfallsverfahren entsteht für den Vertreter des Verfallsbeteiligten im Bußgeldverfahren nach Teil 5 VV RVG nur die Gebühr Nr. 5116 VV RVG.

M.E. falsch bzw. dummes Zeug mit einer nicht überzeugenden Begründung bzw. einem Begründungsansatz: Denn der Satz:

“Ausgehend vom Wortlaut der Vorbemerkung 5 Abs. 1 zum VV RVG ist zunächst zu prüfen, welche Gebühren für einen Verteidiger angefallen wären, der sich gegen eine, gegen den Betroffenen auch gerichtete Verfallentscheidung gewendet hätte.”

ist vom Ansatz her falsch. Für einen Verteidiger ist/wäre eben nicht nur die Nr. 5116 VV RVG angefallen. Die Sicht ist verkürzt und verkennt den Sinn und Zweck der Nr. 5116 VV RVG, die eine “zusätzliche” Gebühr ist und die nie allein entstehen kann. Dazu gibt es eine ganze Menge richtiger Rechtsprechung – wie: LG Karlsruhe RVGreport 2013, 235 = AGS 2013, 230 = VRR 2013, 238 = DAR 2013, 358 = RVGprofessionell 2013, 119 = StRR 2013, 310; LG Oldenburg JurBüro 2013, 135 = RVGreport 2013, 62 = VRR 2013, 159 = StRR 2013, 314 = RVGprofessionell 2013, 153 = AGS 2014, 65; LG Trier RVGreport 2016, 385 = VRR 10/2016, 20 = = RVGprofessionell 2017, 102 – und gerade erst das KG im KG, Beschl. Beschl. v. 20.12.2017 – 1 Ws 70/17 (dazu Kampf gegen (erweiterten) Verfall, oder: Der Rechtsanwalt verdient nicht nur die zusätzliche Verfahrensgebühr). Die ignoriert man und bezieht sich (natürlich) auf die ebenso falsche Entscheidung des OLG Karlsruhe RVGreport 2012, 301 = StRR 2012, 279 = VRR 2012, 319 m. jew. abl. Anm. Burhoff = AGS 2013, 173.

Hintergrund ist m.E. klar: Es geht darum bei den in Zukunft zunehmenden Fällen, in denen die Nrn 4142, 5116 VV RVG eine Rolle spielen, den Rechtsanwälten nicht zu viel Gebühren zukommen lassen zu müssen.

Und: Es ging auch um die Gebühr Nr. 5113 VV RVG, die StA hatte ihre Rechtsbeschwerde vor Begründung zurückgenommen. Da finden wir natürlich wieder den Textbaustein:

“Ein verständiger und erfahrener Rechtsanwalt, der mit der Rechtslage vertraut ist, wird daher vor dem Eingang der Revisionsrechtfertigung auf voreilige Überlegungen, spekulative Beratungen sowie auf Mutmaßungen über Umfang und Erfolgsaussichten des Rechtsmittels verzichten.”

Auch das falsch. Und man hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, den Textbaustein an das Verfahren anzupassen….


Detektivkosten zur Prüfung der Einstandspflicht, oder: Erstattungsfähig?

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Den Money-Friday eröffne ich mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 17.01.2018 – 25 W 259/17. Allerdings, es gibt kein “Money”, was in diesem Fall aber für den Kläger vorteilhaft war. Es ist wohl, so weit man es aus dem Beschluss entnehmen kann, um dei Einstandspflicht einer Versicherun gegangen. Die hatt zur Prüfung “ihrer” Einstandspflicht einen Detektiv eingeschaltet. Das OLG sagt: Die Kosten kannst du später nicht vom Kläger verlangen:

“Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 13. und 22.12.2017 das Beschwerdeverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt, so dass gemäß § 91a ZPO nur noch über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden war.

Danach waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da die von der Beklagten im Kostenfestsetzungsverfahren angemeldeten Kosten für die Einschaltung des Ermittlungsbüros im vorliegenden Fall nicht erstattungsfähig sind.

Detektivkosten sind nur erstattungsfähig, wenn sie nicht als Geschäftskosten zur Prüfung der Einstandspflicht angefallen sind und die Ermittlungen nicht einfacher und/oder billiger erfolgen konnten (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 31. Auflage 2016, § 91 Rn. 13 Stichwort “Detektivkosten”).    

Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, weshalb für Besprechungen mit dem Kläger und den Vorbesitzern über die Laufleistung des Fahrzeugs ein Ermittlungsbüro eingeschaltet werden musste. Die Aufklärung dieses Sachverhalts hätte auch durch Mitarbeiter der Beklagten erfolgen können. Zudem handelte es sich bei der Aufklärung dieses Sachverhalts lediglich um eine Prüfung der eigenen Einstandspflicht. Für Letzteres spricht gerade auch der zeitliche Ablauf. Das Ermittlungsbüro ist nämlich offensichtlich nicht erst zu einem Zeitpunkt eingeschaltet worden, nachdem für die Beklagte sicher feststand, dass eine Regulierung nicht erfolgen werde und sich somit ein Rechtsstreit bereits konkret abzeichnete. Das Ermittlungsbüro hat Leistungen im Zeitraum vom 12.03.-15.04.2016 abgerechnet. Das Ablehnungsschreiben der Beklagten erfolgte hingegen erst unter dem 26.04.2016.”

Ich habe da mal eine Frage: Geplatzter Termin – was verdiene ich als Zeugenbeistand?

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So, heute im RVG-Rätsel, dann mal was anderes als die Nr. 4142 VV RVG. Dafür mal wieder Zeugenbeistand, auch so ein Dauerbrenner, und zwar:

Sehr geehrter Herr Kollege Burhoff,

ich habe eine Frage an Sie als Gebühren-Experten; vielleicht ist das ja auch etwas für das RVG-Rätsel.

In einer Angelegenheit im hiesigen Raum bin ich als Vernehmungsbeistand gemäß § 68 Buchst. b StPO – selbstverständlich nur “für die Dauer der Vernehmung” – beigeordnet worden. Heute Morgen stellte sich dann bei Gericht heraus, dass der Verteidiger zur Schöffengerichts-Hauptverhandlung am Amtsgericht nicht erschienen war, (weil er angeblich keine Zulassung mehr habe), so dass die Hauptverhandlung platzte, mit anderen Worten ausgesetzt wurde – klar: Fall notwendiger Verteidigung.

Mein Mandant, besagter Zeuge, war erschienen, wurde natürlich nicht vernommen.

Gehe ich recht in der Annahme, dass ich deshalb bei der Staatskasse die Gebühren gemäß 4301 Ziffer 5 VV RVG nicht liquidieren kann, sondern allenfalls – genauso so wie bei Besuchen in der JVA – nur Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder liquidiert werden können für den heutigen Termin?

Für eine gelegentliche Antwort bedanke ich mich bereits jetzt recht herzlich im Voraus.”

 

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Geplatzter Termin – was verdiene ich als Zeugenbeistand?

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Die Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Geplatzter Termin – was verdiene ich als Zeugenbeistand?, habe ich wie folgt beantwortet:

….Also:

M.E. rechnet der Zeugenbeistand nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab. Dann haben Sie überhaupt kein Problem. Dann sind Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG und Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG entstanden. Und es gilt die Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 VV RVG, so dass Sie also auch Gebühren für den „geplatzten Termin“ bekommen/geltend machen können.

Rechnen Sie nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG ab, also eine Einzeltätigkeit, dann ist die Gebühr Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG angefallen. Eine der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG vergleichbare Regelung gibt es in Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG nicht. Aber das hat m.E. keine Auswirkungen. Denn es geht in der Nr. 4 um die Beistandleistung in der Hauptverhandlung. Und in der Hauptverhandlung sind Sie ja wohl schon gewesen. Wenn sich das „Platzen“ vorher herausgestellt hat, würde ich damit argumentieren, dass wir es mit einer Verfahrensgebühr zu tun habe, die alle Tätigkeiten abdeckt, die mit der Beistandleistung zusammenhängen. Dann sicherlich auch warten auf den Termin, Gespräche in Zusammenhang damit usw.

Ich würde nach dem Vorschlag 1 abrechnen und die Geschichte durchfechten. Ausgang interessiert mich.

Und: Zum Zeugenbeistand gibt es meinen Beitrag aus RVGreport 2016, 122. Finden Sie hier: http://www.burhoff.de/veroeff/aufsatz/RVGreport_2016_122.htm”.

Mal sehen, was daraus wird.

“Ich versichere alles, aber nur, wenn ich muss…”, oder: Wenn der Bezirksrevisor nichts zu tun?

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Freitags ist die Entscheidung, welche Urteile/Beschlüsse ich hier vorstellen soll, immer einfach. Denn Freitag ist “Gebührentag” und da gibt es – nach Möglichkeit – nur Entscheidungen mit gebührenrechtlichem Einschlag. Daher die Bitte: Bitte “Gebührenentscheidungen” schicken. Ich kann sie hier, aber auch im Kommentar gut gebrauchen.

Heute eröffne ich dann mit dem AG Braunschweig, Beschl. v. 01.02.2018 – 6 Ds 558 Js 32017/16. Für mich mal wieder ein Beispiel, womit Bezirksrevisoren teilweise ihre Zeit vertun und den AG, die ja eh schon über knappe Ressourcen klagen, die Zeit stehlen.

In der Sache geht es um die Abrechnung einer Pflichtverteidigung. Der Kollege hat nahc Beendigung des Verfahrens seinen Vergütungsfestsettzungsantrag (§ 55 RVG) gestellt und “schön brav” erklärt, dass die von ihm vertretene Person nicht vorsteuerabzugsberechtigt sei, er tätig gewesen sei, als die von ihm vertretene Person inhaftiert gewesen sei und dass er Vorschüsse in Höhe von 0,00 € erhalten habe. DerUrkundsbeamte beim AG hat offenbar nichts anderes zu tun und schreibt dem Kollegen:

„In pp. haben Sie mit Schreiben vom 13.11.2017 Ihre Pflichtverteidigergebühren geltend gemacht.

Gemäß § 58 Abs. 3 RVG werden Sie aufgefordert mitzuteilen, ob und gegebenenfalls wann und in welcher Höhe Vorschüsse oder Zahlungen Dritter an Sie geleistet worden sind.

Ferner müssten Sie versichern, dass Sie spätere Zahlungen seitens des Mandanten oder Dritten unverzüglich anzeigen werden (§ 55 Abs. 5 S. 2 RVG).”

Der Kollege schreibt zurück – sinngemäß etwa: Ich versichere alles, aber nur, wenn ich muss und das, was du willst, muss ich nicht versichern. Die Sache landet dann bei der Bezirksrevisorin, die offenbar auch nichts zu tun hat. Sie schreibt:

“…. dass gemäß § 55 Abs. 5 RVG im Rahmen eines Antrages auf Vergütungsfestsetzung als Pflichtverteidiger folgende Angaben zu machen seien:

– ob und welche Zahlung der Rechtsanwalt bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat,

–  bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr sind diese Zahlungen, der Satz oder der Betrag der Gebühr und bei Wertgebühren auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben,

– Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, hat er unverzüglich anzuzeigen.

Weiterhin führt sie aus: „Diese Angaben sind auch in dem amtlichen Vordruck erhalten, der für den Antrag auf Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung genutzt werden kann. Da insoweit kein Formularzwang herrscht, ist eine Beantragung formlos möglich, jedoch sind die notwendigen Angaben innerhalb dieses Antrages vorzunehmen.”

Der Kollege versichert nichts weiter mehr – wir haben die Frage übrigens in der Facebook-Gruppe der Fachanwälte für Strafrecht diskutiert. Sein Vergütungsantrag wird daraufhin abgelehnt. Begründung: „Es fehlt die Erklärung „spätere Zahlungen werden unverzüglich angezeigt” § 55 V S. 2 RVG).”

Dagegen dann die Erinnerung. Und der Amtsrichter darf es dann richten. Und er richtet wie folgt:

“Dem Verteidiger stehen die mit dem Kostenantrag vom 13.11.2017 geltend gemachten Pflichtverteidigergebühren zu.

Soweit die Bearbeitung des Kostenantrages daran scheiterte, dass der Verteidiger trotz Aufforderung des Urkundsbeamten nicht versichert hat, dass er spätere Zahlungen seitens des Mandanten oder Dritten unverzüglich anzeigen werde, ist dies unerheblich und steht der Bescheidung des Antrages nicht entgegen.

Der Kostenantrag des Verteidigers vom 13.11.2017 entspricht den gesetzlichen Vorgaben des § 55 Abs. 5 RVG. So hat der Verteidiger auch insbesondere erklärt, dass er keine Vorschüsse erhalten habe. Eine Versicherung, zukünftige Zahlungseingänge unverzüglich anzuzeigen, ist dagegen vom Gesetz nicht vorgesehen. § 55 Abs. 5 Satz 4 RVG bestimmt lediglich, dass Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, unverzüglich anzuzeigen sind. Diese Verpflichtung ergibt sich daher aus dem Gesetz und ist zu befolgen. Eine dahingehende Versicherung, sich gesetzestreu zu verhalten, ist jedoch nicht Voraussetzung für einen ordnungsgemäßen und daher zu bescheidenden Kostenantrag.

Eine solche Formvoraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes, noch aus den dem Gericht zur Verfügung stehenden Kommentierungen aus den Kommentaren von Schneider/Volpert/Fölsch, Meyer/Kroiß und BeckOK RVG.”

Ende gut alles gut. Nun nicht alles, denn der Kollege hat unnötigerweise länger auf seine ansonsten unstreitigen Gebühren gewartet. Gut allerdings dann zumindest insoweit, dass der Bezirksrevisor nun weiß, dass seine Auffassung falsch war und er nicht schlauer ist als das Gesetz und die dazu vorliegenden Kommentare. Warum man dafür allerdings einen Amtsrichter braucht? Der Hüter der Staatskasse wird es schon wissen….

Auch gebührenrechtlicher Nachschlag, oder: Nachtragsanklage

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Und als zweites gebührenrechtliches Schmankerl dann den OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.12.2107 – 2 Ws 136/17, der eine gebührenrechtliche Probmeatik in Zusammenhang mit der Erhebung einer Nachtragsanklage (§ 266 StPO) löst. Folgender Sachverhalt:

In einem beim LG anhängigen Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft unter dem 05.082009 Anklage wegen sexuellen Missbrauchs in 33 Fällen in der Zeit von 1991 bis Anfang 2005 erhoben. In der Hauptverhandlung vom 29.07. 2010 erhob sie Nachtragsanklage wegen weiterer vier Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs von Kindern in der Zeit von 1991 bis 2000. Mit Beschluss vom 24.09.2010 bezog das LG die Nachtragsanklage nach vorheriger Zustimmung durch den früheren Angeklagten in das Verfahren ein. Der Verteidiger hat bei der Vergütungsfestsetzung auch Grundgebühr, Hauptverfahrensgebühr und Auslagenpauschale für die in dem Verfahren unter dem 29.07.2010 erhobene Nachtragsanklage geltend gemacht. Die sind nicht festgesetzt worden. Das OLG sieht das anders:

“Dem Verteidiger stehen auch die für die Nachtragsanklage geltend gemachten Gebühren zu.

Ob dem Verteidiger im Falle der Erhebung einer Nachtragsanklage und deren Einbeziehung in ein laufendes Verfahren dafür eigene Gebühren verlangen kann, hängt davon ab, ob es sich bei der Nachtragsanklage um einen selbständigen Rechtsfall im Sinne der Anm. 1 zu Nr. 4100 des Vergütungsverzeichnisses Anlage 1 zum RVG (VV RVG), mithin um eine selbständige Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG handelt (vgl. dazu Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., Nr. 4100 VV Rn. 37). Der Senat bejaht diese Frage.

Entscheidend ist insoweit der strafrechtliche Vorwurf, der dem Angeklagten gemacht wird und die Art und Weise seiner Behandlung durch die Strafverfolgungsbehörden. Dabei gilt im Grundsatz, dass jedes von diesen betriebene Ermittlungsverfahren ein eigenständiger Rechtsfall ist, solange die Verfahren nicht verbunden sind (vgl. Burhoff a.a.O.). Umgekehrt stellen mehrere Tatvorwürfe in demselben Ermittlungsverfahren dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG dar (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 15 Rn. 19).

Bei der Nachtragsanklage (§ 266 StPO) besteht die Besonderheit, dass sie ermöglicht, weitere Vorwürfe gegen den Angeklagten in einer bereits laufenden Hauptverhandlung in das Verfahren einzubeziehen. Dies dient der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens sowie auch der Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. Stuckenberg in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 266 Rn. 1) und erspart dem Angeklagten ein weiteres Verfahren. Dabei ist die Nachtragsanklage die einzige gesetzlich zulässige Möglichkeit, den Gegenstand eines laufenden Hauptverfahrens zu erweitern. Ihre Erhebung steht aber im Ermessen der Staatsanwaltschaft. Sie kann die Verfolgung der neuen Vorwürfe auch einem gesonderten Verfahren vorbehalten (vgl. Stuckenberg a.a.O. Rn. 8). Entscheidet sich die Staatsanwaltschaft für letzteres oder stimmt der Angeklagte einer Einbeziehung der Vorwürfe aus der Nachtragsanklage nicht zu, kann nicht zweifelhaft sein, dass das dann zu führende neue Verfahren eine eigenständige Angelegenheit darstellt.

Die Erhebung der Nachtragsanklage und deren Einbeziehung hängt vom Verhalten der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten ab. Sie stellt eine Ausnahme dar, die ein sonst regelmäßig gesondert zu führendes Verfahren erspart. Es ist keine Rechtfertigung dafür ersichtlich, beides gebührenrechtlich verschieden zu behandeln. Es kann deshalb insoweit nicht darauf ankommen, welches verfahrensmäßige Schicksal neue Tatvorwürfe letztlich nehmen, wenn sie doch im Grundsatz Gegenstand verschiedener Verfahren wären (so im Ergebnis auch Burhoff, RVGreport 2014, 293).”

Zutreffend, klar. Und: Es ist immer wieder schön, sich selbst zitiert zu sehen. 🙂

 

Ich habe da mal eine Frage: Gibt es Gebühren für die “Beiordnungsbeschwerde?”

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Im Gebührenrätsel dann heute mal wieder eine Frage betreffend die Gebühren bei erfolgreicher Beschwerde, das ist eine Problematik, die häufig in den Fragestellungen auftaucht. Hier wurde wie folgt gefragt:

“Sehr geehrter Herr Burhoff,

folgender Fall:

Mdt. steht unter Bewährung (GS 10 Monate). Die StA stellt Antrag auf Bewährungswiderruf wegen neuer Straftat). Ich melde mich für den Verurteilten und beantrage für diesen Pflichtverteidigerbeiordnung.

Das Amtsgericht lehnt ab. Hiergegen wurde Beschwerde (namens und im Auftrag des Mdt.) eingelegt.

Das LG hilft der Beschwerde ab. Kostenentscheidung:

“Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers hat die Staatskasse zu tragen.”

Das “neue” Strafverfahren wird nach § 154 StPO eingestellt. Der Mdt. hat alle Bewährungsauflagen erfüllt.

Die StA nimmt den Antrag auf Bewährungswiderruf zurück. Die Gebühren in der Bewährungssache sind inzwischen gezahlt.

Meine Frage: Gibt es daneben eine Erstattung der Gebühren für die “Beiordnungsbeschwerde?”

Wer wagt, gewinnt – zumindest an Erfahrung.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Gibt es Gebühren für die “Beiordnungsbeschwerde?”

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Am vergangenen Freitag ging es ja mal wieder in dem Beitrag: Ich habe da mal eine Frage: Gibt es Gebühren für die “Beiordnungsbeschwerde?”, um die Kosten/Gebühren für eine erfolgreiche Beschwerde. Ein Dauerbrenner.

Ich habe dem Kollegen wie folgt geantwortet:

“Hallo,

nein.

Die Kosten sind m.E. durch die Verfahrensgebühr abgedeckt.

Vorbem. 4. 2 VV greift da nicht. Sie müssen die Kosten über die Beschwerde im Rahmen der Differenztheorie geltend machen. Ich verweise auf unseren RVG-Kommentar.”

Und auf Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017 , verweise ich dann hier auch noch einmal. Also “Werbemodus. Zum Bestellformular geht es hier.


Terminsgebühr des Wahlanwalts, oder: Die Pflichtverteidigergebühren geben “Hilfestellung”

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Es ist “Money-Friday”, d.h., dass es heute gebührenrechtliche Entscheidungen gibt. Und zunächst gibt es den OLG Bamberg, Beschl. v. 06.02.2018 – 1 Ws 51/18, der für die Praxis nicht unwichtige Ausfürhungen zur Bemessung der Terminsgebühr des Wahlanwalts enthält. Zwar ist das, was das OLG Bamberg ausführt, nicht neu, aber es ist schön, es wieder mal zu lesen.

Der Verteidiger hatte für jeden Verhandlungstag grundsätzlich die Mittelgebühr – entweder mit oder ohne Haftzuschlag – angesetzt und die dann unter Berücksichtigung der Schwere des Tatvorwurfes – versuchter Totschlag -, der Bedeutung der Sache für die freigesprochene Mandantin usw. angemessen erhöht. Wegen der Abwägung im Einzelnen verweise ich auf den Beschluss des OLG. Das hatte der Rechtspflegering nicht gepasst. Die hatte jeweils niederiger festgesetzt. Und das passt dem OLG nicht:

“Eine Abweichung von der Bestimmung des Verteidigers kommt im Festsetzungsverfahren demnach nur in Betracht, wenn sich diese als unbillig hoch erweist. Nach der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung können Abweichungen bis zu 20 % im Verhältnis zu den angemessenen Gebühren noch als verbindlich angesehen werden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 21. April 2016, 2 Ws 218/16, OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2014, 1 Ws 305/14).

Wegen der Schwierigkeit zu bestimmen, wann eine Rahmengebühr unbillig ist und weil mit der Aufzählung der Umstände, die einerseits für die Erhöhung, andererseits für eine Ermäßigung der Gebühr sprechen, der Praxis nicht viel geholfen ist, weil ihr ein Ansatzpunkt fehlt, hat die Praxis sich diesen Ansatzpunkt mit der sogenannten Mittelgebühr geschaffen. Die Mittelgebühr soll gelten und damit zu konkreten billigen Gebühr in den „Normalfällen” werden, in denen sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, also übliche Bedeutung der Angelegenheit, durchschnittlicher Umfang und durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen. Auszugehen ist bei der Bestimmung der Gebührenhöhe demnach zunächst von der Mittelgebühr (vgl. Hartmann, Kostengesetzte, 46. Auflage 2016, § 14 RVG, Rn. 14; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013, Rn. 39). Diese liegt hier für den ersten Hauptverhandlungstag (ohne Haftzuschlag) bei 530,00 € und’ ab dem zweiten Hauptverhandlungstag bei 646,25 €.

Bei der Bestimmung der Höhe der Gebühren sind, wie bereits erwähnt, im Einzelnen insbesondere die in § 14 Abs. 1 §. 1 RVG genannten Umstände zu berücksichtigen, dazu zählen Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit für den Aufraggeber sowie seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Im Hinblick auf die geltend gemachten Terminsgebühren spielt jedoch auch die Dauer des jeweiligen Hauptverhandlungstermins eine bestimmende Rolle (KG JurBüro 2012, 482; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Auflage 2015, 41084111 W, Rn. 18; Hartmann a.a.O., Nr. 4108, 4109 VV RVG, Rn, 16), Bei der Bemessung der Gebühr kann der Verteidiger sich an den Grenzen der Längenzuschläge VV RVG Nm. 4110, 4111 orientieren (KG a.a.O., Gerold/Schmidt/Burhoff a.a.O.). Eine Verhandlungsdauer von bis zu fünf Stunden ist dabei als durchschnittlich zu bewerten (KG a.a.O., vgl. insgesamt OLG Köln, Beschluss vom 21. April 2016, 2 Ws 218/16, Rn. 9, OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2014, 1 Ws 305/14 m. w. N.).

Vor diesem Hintergrund kann die durch die Rechtspflegerin vorgenommene Kostenfestsetzung keinen Bestand haben.

Dem Verteidiger ist zunächst zuzugeben, dass es sich bei dem Verfahren und seiner sich hieraus ergebenden Tätigkeit in Anbetracht der Beweissituation dem Grunde nach um eine jedenfalls nicht als völlig bedeutungslos einzustufende Sache handelte, welche für die Freigesprochenen, der immerhin die Beihilfe zu einem versuchten. Tötungsdelikt sowie zu einer gefährlichen Körperverletzung zur Last gelegt wurden, von erheblicher Bedeutung war.

Allerdings ist dies bei Verfahren vor den großen Strafkammern, insbesondere der Schwurgerichtskammer, regelmäßig der Fall. Es entspricht überwiegend dem juristischen Alltag, dass sich Verfahren wegen Tötungs- oder schweren Sexualdelikten oder auch Wirtschaftsstrafverfahren als kompliziert und komplex darstellen und die Betroffenen im Falle einer Verurteilung mit ganz empfindlichen Strafen zu rechnen haben, die häufig als nahezu existenzvemichtend einzustufen sind.

Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls die Termine vom 24.02.2016, 29.02.2016 sowie 14.03.2016 eine Verhandlungsdauer von jeweils leicht über oder um die 5 Stunden aufweisen und jeweils 2 Sachverständige sowie mehrere Zeugen (3 bis 11) geladen waren. Bei dem Hauptverhandlungstermin vom 24.02.2016 handelte es sich zudem um den ersten Termin, für welchen anerkanntermaßen ein erhöhter Vorbereitungsbedarf angenommen wird, welcher die Geltendmachung einer erhöhten Gebühr rechtfertigt. Hinsichtlich des Termins vom 18.03.2016 mag sich die Verhandlungsdauer auf lediglich 3 Stunden belaufen haben, allerdings wurden an diesem Tag die Plädoyers gehalten, in deren Rahmen die Staatsanwaltschaft jedenfalls noch die Verurteilung der Freigesprochenen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung sowie die Unterbringung gemäß § 64 StGB beantragt hatte.

In der Gesamtschau hält der Senat daher die jeweils durch den Verteidiger vorgenommenen Erhöhungen der Grundgebühren) für die Termine vom 24.02.2016, 29.02.2016 sowie 14.03.2016 auf 850,00 € bzw. 900,00 € nicht für unbillig. Auch die Inansatzbringung der Mittelgebühr für den Tag der Plädoyers ist aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden. Ein Abschlag ist daher nicht vorzunehmen.”

Zu dem Ganzen natürlich auch “Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017″, bei den Rahmengebühren. Zu dem Werk gibt es gerade heute – passend 🙂 – eine sehr schöne Rezension bei den Rezensenten, auf die mich der Kollege Krenberger dankenwerter Weise hingewiesen hat; darum auch das Bild zu dem Beitrag. Ich weise dann auf diese Rezension hin. Sie findet man hier. Und wer nach dem Lesen – dann endlich überzeugt ist 🙂 – und bestellen will, der kann das hier.  So, das war Werbung 🙂 . Aber lohnt sich für die Angesprochenen 🙂 .

Erstattung der SV-Kosten im Bußgeldverfahren, oder: Was haben Gebühren mit Messungen zu tun?

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Und als zweite Entscheidung bringe ich dann den auch sehr schönen LG Wuppertal, Beschl. v. 08.02.2018 – 26 Qs 214/17, den mir der Kollege Geißer aus Wuppertal, übersandt hat. Es geht um die Erstattung von Kosten eines Privatgutachtens, das der Kollege zu einem standardisierten Messverfahren eingeholt hatte. Das Verfahren gegen die Mandantin des Kollegen ist dann eingestellt worden. Der Kollege hat die Auslagen geltend gemacht, darunter dann auch die Kosten des pribat eingeholten SV-Gutachtens. Die Rechtspflegerin hat festgesetzt, der Hüter der Staatskasse “hütet” = legt sofortige Beschwerde ein. Und: Das LG gibt der Rechtspflegerin und dem Kollegen Recht. Die SV-Kosten sind zu erstatten:

“Im vorliegenden Einzelfall waren die Kosten für die Beauftragung des Sachverständigen bei der anzulegenden ex-ante-Betrachtung als notwendig i. S. v. § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 464a Abs. 2 StPO zu qualifizieren. Trotz des im Bußgeldverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes wird eine solche Notwendigkeit von privaten Ermittlungen insbesondere bei schwierigen technischen Fragestellungen bejaht [vgl. nur Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl. 2013, S 464a Rn. 7]. Darüber hinaus ist im Bußgeldverfahren zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Darlegung einer konkreten Fehlmessung bei Verwendung eines standardisierten Messverfahrens erhöht sind. Hier müssen von Seiten der Verteidigung konkrete Anhaltspunkte für eine technische Fehlfunktion der standardisierten Messeinrichtung vorgebracht werden, um eine weitergehende Aufklärungspflicht des Gerichts vor dem Hintergrund des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zu begründen.

Vorstehendes führt im vorliegenden Fall ausnahmsweise dazu, dass die Beauftragung des Privatsachverständigen pp.  bereits mit Zustellung des Bußgeldbescheides für die Betroffene notwendig erscheinen durfte. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass der Verteidiger mangels eigener technischer Sachkunde bezogen auf den Aufbau, die Ausrichtung als auch die Handhabung der verfahrensgegenständlichen Rotlichtüberwachungsanlage anderweitig nicht in der Lage gewesen wäre, konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Messanlage zu begründen. Zudem ist bei dieser Bewertung auf den Zeitpunkt der Erteilung des Auftrags an den Privatsachverständigen abzustellen und dies unabhängig davon, ob sich das Gutachten sodann in der Folge tatsächlich auf das Verfahren ausgewirkt hat [OLG Celle, Beschl. v. 05.01.2005, Az. 2 Ss 318/04].

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es vorliegend daher unerheblich, dass die Einstellung des Verfahrens vordergründig auf gerichtlichen Erkenntnissen aus Parallelverfahren beruhte. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob – wie von dem Verteidiger behauptet – seine Beweisanträge zumindest teilweise Ausfluss der Erkenntnisse aus dem eingeholten Gutachten waren. Aufgrund der anzulegenden ex-ante-Betrachtung kann die Frage der Erstattungsfähigkeit weder von dem Ergebnis der Begutachtung noch von dessen Überzeugungskraft abhängig gemacht werden, sodass die Einführung in das Verfahren nicht verlangt werden darf [BGH, NJW 2013, 1823 m. w. N.].

b) Hinsichtlich der Höhe der erstattungsfähigen Kosten hat sich die Kammer an der Rechnung des Privatsachverständigen pp. vom 24.02.2016 orientiert. Der darin angesetzte Zeitaufwand erscheint der Kammer ebenso wie der Ansatz von Schreibund Portokosten angemessen. Allerdings bestand das zur Akte gereichte Gutachten vom 24.02.2016 – bei großzügiger Betrachtung – lediglich aus 15 geschriebenen Seiten, sodass bei den Schreibkosten ein entsprechender Abzug von 18,00 € netto (9 Seiten mal 2,00 €), also über 21 ,42 € brutto vorzunehmen war.

Den abgerechneten Stundensatz von 120,00 € netto sieht die Kammer entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors als erstattungsfähig an. Insoweit hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Wuppertal im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtigerweise ausgeführt, dass sich die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens nicht nach den Vergütungssätzen des JVEG richtet. Auch eine entsprechende Anwendung des JVEG kommt nicht in Betracht, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass es einem Betroffenen möglich ist, einen geeigneten Sachverständigen zu den im JVEG vorgesehenen Vergütungssätzen zu gewinnen [BGH, NJW 2007, 1532, 1533]. Es bedarf aber einer besonderen Darlegung der Notwendigkeit der Kosten, wenn die Stundensätze des Privatgutachters ganz erheblich von den Stundensätzen des JVEG abweichen [BGH, ebd.].

In Kenntnis dieser Umstände hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Wuppertal den Verteidiger mit Schreiben vom 06.10.2017 auf die bestehende Rechtslage hingewiesen, worauf dieser mit Schriftsatz vom 19.10.2017 ergänzende Ausführungen zu den Gutachterkosten getätigt hat. Danach entspricht der angesetzte Stundensatz der getroffenen Honorarvereinbarung zwischen der Betroffenen und dem Privatsachverständigen pp. Zudem hat der Verteidiger nachvollziehbar dargelegt, dass er den Privatsachverständigen pp.. aufgrund dessen besonderer Expertise ausgewählt habe, die zugleich das angesetzte Honorar rechtfertige. Die Kammer konnte diese Expertise insbesondere durch die Eigenschaft des Privatsachverständigen als Mitherausgeber des in zweiter Auflage erschienenen Fachbuches „Messungen im Straßenverkehr: Fehlerquellen bei Geschwindigkeits- Abstandsmessung, Rotlichtüberwachung, Bildidentifikation” nachvollziehen.

Insofern folgt die Kammer auch der Bewertung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Wuppertal und sieht die Notwendigkeit der über dem JVEG liegenden Kosten als ausreichend dargelegt an.”

Wie gesagt, Dank an den Kollegen – in der “Szene” als der “Hexer” bekannt/genannt – für die Übersendung des Beschlusses. Und wer sich fragt, warum der Beitrag als “Posting-Bild” das Cover unserer “Blitzerbibel” – Ausdruck stammt nicht von mir – seriös 🙂 : “Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr Fehlerquellen bei Geschwindigkeits- Abstandsmessung, Rotlichtüberwachung, Bildidentifikation, Atemalkoholmessung, Gewerblicher Güter- und Personenverkehr, 4. Aufl., 2017, erhalten hat. Die Kammer begründet die Sachkundes des SV mit der Mitarbeit bei diesem Werk . Das ist doch ein Bild des Werkes und einen Link dorthin wert, obwohl die Kammer “nur” die 2. Auflage anführt, aber immerhin. Und dann natürlich auf das Bestellformular. Und das war dann auch Werbung…… 🙂 🙂 .

Ich habe da mal eine Frage: Was verdiene ich bei Nichteröffnung des Hauptverfahrens?

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Im Moment ist mal wieder Flaute mit Fragen, die bei mir auflaufen, also: Fragen, Fragen, Fragen. Ich muss daher dann (mal wieder) auf eine Frage aus der FB-Gruppe Strafverteidiger zurückgreifen, die dort vor einiger Zeit gestellt worden ist, und zwar:

“Entsteht keine VV 4106 RVG Gebühr, wenn das Gericht die Eröffnung des HV ablehnt?

Welche weiteren Gebühren entstehen in dem Zusammenhang? Natürlich wirkt der Strafverteidiger durch seine ausführliche Schutzschrift mit.”

Sollte nicht so schwer sein 🙂 . Dürfte “Basiswissen” sein.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Was verdiene ich bei Nichteröffnung des Hauptverfahrens?

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Am vergangenen Freitag ging es im Gebührenrätsel um: Ich habe da mal eine Frage: Was verdiene ich bei Nichteröffnung des Hauptverfahrens?

Darauf hat es nur eine Antwort/einen Kommentar gegeben, nämlich:

“Schauen Sie doch wegen der Nr. 4106 VV RVG einfach ins Gesetz. Da gibt es z.B. die Anm. zur Nr. 4104 VV RVG. Daraus ergibt sich die Antwort.

Und die Antwort auf versteckte Frage nach der Nr. 4141 VV RVG folgt aus der Anm. 1 Satz 1 Nr. 2 zu der Regelung.”

Manchmal ist es wirklich so, dass ein Blick ins Gesetz die Rechtsfindung erleichtert 🙂 .

Ich habe da mal eine Frage: Kann ich aus der Vergütungsvereinbarung gegen meinen Mandanten vorgehen?

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So, und dann noch das Freitagsrätsel. Heute geht es um folgendes Problem:

Sehr geehrter Herr Kollege,

ich richte mich mit der folgenden Frage an Sie. Ich habe mit einem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung (ausdrücklich für die erste Instanz) getroffen, ich war zunächst Wahlverteidigerin, dann wurde ich kurz vor Ende der ersten Instanz noch zur Pflichtverteidigerin bestellt. Berufung habe ich noch eingelegt (dafür habe ich keine Vereinbarung). Dann kam der Wechsel zu einem anderen Kollegen.

Ich habe nicht vor für die erste Instanz gegenüber der Staatsakasse abzurechen. Kann ich hier aus meiner Vereinbarung gegen den Mandanten vorgehen? (so meine Ansicht) und kann ich die zweite Instanz also nur die Berufungseinlegeung gegenüber der Staatsakasse als Pflichtverteidiger abrechnen?”

Jemand vor dem StV-Tag noch eine Idee?

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